Meditation für Anfänger: 20 praktische Tipps, um den Verstand zu verstehen | Leo Babauta – zen habits – deutsch

Und auf los geht’s los. Hier kommt der erste Beitrag von Leo Babautas »zen habits«:


Die wichtigste Gewohnheit, die ich in den letzten 10 Jahren durch formen von Gewohnheiten entwickelt habe, ist, Meditation. Ohne jede Ausnahme.

Meditation hat mir geholfen, alle meine anderen Gewohnheiten zu formen, sie hat mich friedlicher gemacht, fokussierter, weniger besorgt um Unannehmlichkeiten, wertschätzender und aufmerksamer bezüglich allem in meinem Leben. Ich bin weit entfernt vom perfekt sein, aber es hat mir geholfen, einen langen Weg zu gehen.

Wahrscheinlich am wichtigsten, sie hat mir geholfen meinen eigenen Verstand zu verstehen. Bevor ich mit dem Meditieren angefangen habe, habe ich nie darüber nachgedacht, was in meinem Kopf vorgeht – es passierte einfach, und ich würde den Anweisungen einfach folgen, wie ein Automat. Heutzutage passiert das alles immer noch, aber mehr und mehr bin ich mir darüber bewusst, was passiert. Ich kann eine Wahl treffen, ob ich den Anweisungen folgen möchte. Ich verstehe mich selbst besser (nicht komplett, aber besser), und das hat mir viel mehr Flexibilität und Freiheit gegeben.

Also … Ich kann diese Gewohnheit nur wärmstens empfehlen. Und während ich nicht sage, dass es leicht ist, kannst Du klein anfangen und besser und besser werden, während Du übst. Erwarte nicht, dass Du am Anfang gut bist – darum heißt es »Übung«!

Diese Tipps zielen nicht darauf ab, Dir zu helfen, ein Experte zu werden … sie sollten Dir helfen anzufangen und weiterzumachen. Du musst nicht alle gleichzeitig implementieren – probiere ein paar aus, komm’ zu diesem Artikel zurück, probiere zwei oder drei mehr.

1. Sitze für nur 2 Minuten

Das wird Dir verdammt einfach vorkommen, nur für zwei Minuten zu meditieren. Das ist perfekt. Starte mit nur zwei Minuten am Tag für eine Woche. Wenn das gut klappt, steigere die Session um zwei weitere Minuten und mach’ das für eine Woche. Wenn alles gut geht, nur durch ein kleines bisschen mehr an Zeit, wirst Du im 2. Monat 10 Minuten am Tag meditieren, was unglaublich ist! Aber starte zuerst klein.

2. Tue es als Erstes jeden Morgen

Es ist einfach zu sagen »ich werde jeden Tag meditieren«, aber dann vergessen, es zu tun. Stattdessen richte Dir eine Erinnerung für jeden Morgen ein, wenn Du aufstehst, und mach’ Dir eine Notiz mit »meditieren«, die Du irgendwo anhängst, wo Du es sofort siehst.

3. Verliere Dich nicht im wie – einfach machen

Die meisten Leute machen sich Sorgen darum, wo man sitzt, wie man sitzt, welches Kissen man benutzen sollte … all das ist schön, aber es ist nicht so wichtig, um anzufangen. Beginne, indem Du auf einem Stuhl sitzt oder auf Deiner Couch. Ein bequemer Sessel oder Dein Bett tut es auch. Wenn Du es auf dem Boden bequem findest, dann sitze im Schneidersitz. Es ist eh nur für zwei Minuten am Anfang, also sitze einfach nur. Später kannst Du Dir Sorgen darum machen, wie Du es Dir für längere Zeit bequemer machst, aber am Anfang macht es nicht viel aus, sitze nur irgendwo ruhig und bequem.

4. Beginne damit, wie Du Dich fühlst

Wenn Du das erste Mal in Deine Meditations-Session reingehst, versuche einfach zu sehen, wie Du Dich fühlst. Wie fühlt sich Dein Körper? Wie ist die Beschaffenheit von Deinem Verstand? Beschäftigt? Müde? Ängstlich? Sehe alles, was Du in die Meditations-Session mit reinbringst, als komplett okay.

5. Zähle Deine Atemzüge

Jetzt, nachdem Du in der Übung angekommen bist, lenke Deine Aufmerksamkeit auf Deine Atmung. Lenke Deine Aufmerksamkeit nur auf Deinen Atem, wenn er reinkommt, und folge ihm durch Deine Nase den ganzen Weg hinunter zu Deinen Lungenflügeln. Versuche »eins« zu zählen, während Du den ersten Atemzug hereinlässt, danach »zwei«, wenn Du ausatmest. Wiederhole das Ganze, bis Du bei 10 angekommen bist, danach beginne wieder bei Eins.

6. Komm zurück, wenn Du wanderst

Dein Verstand wird wandern. Das ist eine absolute Gewissheit. Das ist überhaupt kein Problem. Wenn Du bemerkst, dass Dein Verstand wandert, lächle, und komme dann einfach wieder langsam zurück zu Deiner Atmung. Zähle wieder »eins« und mache weiter. Du wirst vielleicht ein wenig Frustration empfinden, aber es ist absolut okay nicht fokussiert zu sein, wir alle tun das. Das ist die Übung und Du wirst nicht gut darin sein für eine kurze Weile.

7. Entwickle eine liebende Haltung

Wenn Du bemerkst, dass Gedanken und Gefühle während der Meditation auftauchen, und das werden sie, begegne ihnen mit einer freundlichen Haltung. Betrachte sie als Freunde, nicht als Eindringlinge oder Feinde. Sie sind ein Teil von Dir, wenn auch nicht alles von Dir. Sei freundlich und nicht scharf.

8. Mach Dir nicht zu viele Sorgen, ob Du es falsch machst

Du wirst besorgt sein, ob Du es falsch machst. Das ist okay, wir alle tun das. Du machst es nicht falsch. Es gibt keinen perfekten Weg es zu machen. Sei einfach glücklich, dass Du es machst.

9. Kümmer Dich nicht darum, den Kopf freizukriegen

Viele Leute denken, bei Meditation geht es darum, den Kopf freizukriegen oder alle Gedanken zu stoppen. Das ist es nicht. Das kann manchmal passieren, aber es ist nicht das »Ziel« der Meditation. Wenn Du Gedanken hast, ist das normal. Wir alle haben sie. Unsere Gehirne sind Gedanken-Fabriken und wir können sie nicht einfach ausschalten. Stattdessen versuche, Deine Fokussierung auf Deine Aufmerksamkeit zu trainieren und übe etwas mehr, wenn Dein Verstand wandert.

10. Bleib bei dem, was Dir hochkommt

Wenn Gedanken oder Gefühle auftauchen, und das werden sie, solltest Du versuchen mit ihnen Weile auszuhalten. Ja, ich weiß, ich sagte zurückkommen zur Atmung, aber wenn Du das eine Woche lang übst, solltest Du auch versuchen bei einem Gedanken oder Gefühl zu bleiben, das gerade aufkommt. Wir tendieren dazu, Gefühle wie Frustration, Wut, Angst, … vermeiden zu wollen, aber eine einzigartige und nützliche Meditationserfahrung ist es, mit dem Gefühl für eine Weile zusammen zu sein. Bleib einfach da und sei gespannt.

11. Lerne Dich selbst kennen

Bei der Übung geht es nicht nur darum Deine Aufmerksamkeit zu fokussieren, es geht darum, zu lernen, wie Dein Verstand funktioniert. Was geht hier drinnen ab? Es ist komisch, aber dadurch, dass Du Deinen Verstand wandern siehst, frustriert bist, verschiedene Gefühle vermeiden willst … kannst Du besser verstehen, wie Du tickst.

12. Freunde Dich mit Dir an

Während Du Dich besser kennenlernst, mache es mit einer freundlichen Haltung, statt einer kritischen. Du lernst einen neuen Freund kennen. Lächle und gib Dir selbst Liebe.

13. Mach einen Körper-Scan

Eine andere Sache, die Du tun kannst: sobald Du darin besser wirst Deiner Atmung zu folgen, fokussiere Deine Aufmerksamkeit auf ein Körperteil zu einem Zeitpunkt. Beginne bei Deinen Fußsohlen – wie fühlen sie sich an? Langsam gehst Du vorwärts zu Deinen Zehen, zu Deinem Fußrücken, Deinen Knöcheln, den ganzen Weg hoch, zu Deinem Kopf.

14. Werde Dir des Lichts, der Geräusche und Energie bewusst

Worauf Du noch Deine Aufmerksamkeit lenken kannst, wieder, nachdem Du Deine Atmung für mindestens eine Woche trainiert hast, ist das Licht überall um Dich herum. Halte Deine Augen sanft gerichtet auf einen bestimmten Punkt im Raum und bemerke das Licht um Dich herum in diesem Raum. An einem anderen Tag fokussiere Dich nur auf Geräusche. An einem anderen Tag versuche die Energie um Dich herum in dem Raum zu bemerken (inklusive Licht und Geräusche).

15. Vertraue Dich dem wirklich an

Sag nicht nur: »Klar, ich werde das Mal für ein paar Tage probieren.« Vertraue Dich dem Ganzen wirklich an. Behalte im Hinterkopf, dass Du erst mal für mindestens einen Monat dranbleibst.

16. Du kannst es überall machen

Wenn Du auf Reisen bist oder etwas kommt am Morgen dazwischen, kannst Du auch im Büro meditieren. Im Park. Während Du pendelst. Während Du irgendwo langläufst. Sitzende Meditation ist für den Anfang am besten, aber in Wahrheit trainierst Du Deine Aufmerksamkeit für Dein ganzes Leben.

17. Folge angeleiteter Meditation

Wenn es hilft, dann kannst Du mit angeleiteter Meditation anfangen. Meine Frau nutzt Tara Brachs angeleitete Meditation und sie findet sie sehr hilfreich.

Randnotiz: Ich habe bereits in einem anderen Artikel über Headspace geschrieben und dass es für mich sehr gut funktioniert. Unter Punkt 2 in folgendem Beitrag.

18. Probiere es mit Freunden aus

Während ich gerne alleine meditiere, kannst Du es mit Ehefrau/Ehemann oder Kind oder Freund machen. Oder gehe eine Verpflichtung Deinem Freund gegenüber ein, dass er Dich jeden Morgen nach der Meditation überprüft. Es könnte helfen, dass Du länger am Ball bleibst.

19. Such Dir eine Gruppe

Noch besser: finde eine Gruppe von Leuten, die meditieren, und geselle Dich zu ihnen. Das kann eine Zen- oder tibetanische Gruppe in Deiner Nähe sein (zum Beispiel), wo Du hingehst und mit ihnen zusammen meditierst. Oder finde eine Online-Community, registriere Dich und frage Fragen, bekomme Unterstützung und motiviere andere. Mein Sea Change Program hat so eine Community.

20. Lächle, wenn Du damit fertig bist

Wenn Du fertig bist mit Deinen zwei Minuten, lächle. Sei dankbar dafür, dass Du diese Zeit für Dich hattest, dass Du Deiner Verpflichtung nachgekommen bist, dass Du Dir selbst gezeigt hast, dass Du zuverlässig bist, wo Du Dir die Zeit genommen hast, Dich besser kennenzulernen und mit Dir Freunde zu werden. Das sind unglaubliche zwei Minuten in Deinem Leben.

Meditation ist nicht immer einfach oder auch friedlich. Aber Meditation hat wirklich unglaubliche Vorteile und Du kannst heute anfangen und Du kannst es bis an Dein Lebensende machen.


Ich hoffe, Dir hat der erste Beitrag aus der neuen Beitragsserie von Leo Babautas »zen habits« gefallen. Vielleicht hat Dich der Text erreicht und neugierig gemacht. Oder er trifft bei Dir absolut nicht auf Zustimmung. In beiden Fällen interessiere ich mich für Deine eigene persönliche Meinung. Teile sie mit mir. Entweder unten in den Kommentaren, bei Facebook, Twitter oder gerne auch per Mail. Wenn der Text Dir gut gefällt, dann sag es doch gerne weiter, was hier so steht. Oder noch einfacher: teile den Link zu diesem Beitrag.

Außerdem würde mich interessieren, was Du im Allgemeinen von der Idee hältst Leo Babautas Texte ins Deutsche zu übersetzen? Findest Du den Kerl auch so interessant wie ich? Oder kannst Du mit Achtsamkeit und Einfachheit gar nichts anfangen?

Ich danke Dir vielmals, dass Du bis hier hin mitgelesen hast und wünsche mir, dass Du wieder einmal hereinschaust, wie sich mein Vorhaben mit der Beitragsserie entwickelt hat. Bis dahin wünsche ich Dir alles Beste.

 

Photo: Mattia Notari

 

10 Kommentare

  1. Ich finde die Tipps gut und gerade beim Pendeln sollte ich öfter wieder “unbewusst” meditieren. Das tat ich als Kind öfter, bevor ich unbedingt was zu lesen haben musste. Wenn wir schon beim Thema sind, gibt es vielleicht andere, die bei langsamer Rockmusik (Richtung Stoner oder Noise, das Zeug, das garantiert nicht jeder mag 😀 ) abgehen, ohne das gross zu üben? Ich kann mich bei passender Musik in Trance versetzen, mache das allerdings mehr zu meinem Vergnügen.

    Ich mag Leo Baubata, allerdings lese ich ihn lieber auf Englisch. Ich studiere selber Übersetzen und mir fällt jeder Satz auf, der sich nicht Deutsch anhört, da bin ich einfach empflindlich 😀

    1. Hallo Zora, vielen lieben Dank fuer Deine Worte. 🙂

      Mich wuerde auch mal interessieren, ob es dort draussen jemanden gibt, der sich durch Rockmusik so in Trance fallen lassen kann, dass es einer Meditation Nahe kommt.

      Klar, ich lese Leos Texte auch lieber in Englisch. Doch es gibt leider sehr viele Leute, die der Sprache nicht so maechtig sind. Und denen moechte ich die Moeglichkeit bieten, auch von dem guten Input Gebrauch zu machen. 😉

      Liebe Gruesse und alles Gute!

  2. Danke für die tolle Anleitung, es klingt so einfach, da musste ich es gleich versuchen. Das Erstaunliche war, als ich dachte, nun sind zwei Minuten um und wieder aufgetaucht bin, waren es sechs Minuten. Es kam mir so kurz vor. Ich habe mich danach sehr erfrischt gefühlt.

    Ist es ok, die Augen beim Meditieren zu schließen? Finde ich angenehmer, man wird nicht so schnell abgelenkt.

    LG, Heike

    1. Hallo Heike, vielen Dank fuer Deinen Kommentar. Es freut mich mit anzusehen, dass es jemand einfach ausprobiert. Das ist naemlich der Schluessel zum Ganzen.

      Ich fuehle mich auch meistens erfrischt nach dem Meditieren. Dehalb bevorzuge ich es auch morgens zu meditieren.

      Na klar, du kannst Deine Augen schliessen. Ich kann mich mit geschlossenen Augen noch besser entspannen und durch meinen Koerper wandern.

      Liebe Gruesse 🙂

  3. Hallo,
    den Artikel fand ich super interessant. Seit einiger Zeit interessiert mich das Thema Meditation, verbunden mit der Hoffnung, innere Ruhe und Gelassenheit zu erlangen.
    Wenn ich das richtig verstanden habe, wird hier dazu geraten, die Gedanken nicht ‘abzustellen’ . Das hast mich etwas verwirrt, weil in den andern Artikeln die ich gelesen habe, wird genau dieses Ziel verfolgt, nämlich die Gedanken abzustellen bzw. ohne ihnen bewusste Aufmerksamkeit zu schenken weiter ziehen zu lassen. Das soll dazu führen, dass der Geist Abstand nimmt von Themen die ihn stressen.
    Dennoch ein sehr interessant Ansatz, um die Meditation zu optimiert.
    Beste Grüße TR

    1. Hi Tani,

      na klar, ich kann verstehen wovon du sprichst. Ich habe auch diesen Ansatz bereits gehört und praktiziert. Aber um ehrlich zu sein, bin ich damit nicht ganz so im Einklang. Weil während der Meditationspraxis sollte nichts erzwungen sein, sondern natürlich aus dir heraus kommen. “No pressure” sozusagen. (;

      Liebe Grüße,
      Timo

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